Montag, 24. Oktober 2011

Die seltsame Vermehrung von Lakritzschiffen

Am Frühstückstisch fragte das große Kind: "Mama, kennst Du Lakritzschiffe?" Nein, die kenn ich nicht, aber bei solchen Fragen muss man im Moment wirklich vorsichtig sein. Antwortet man nein, kann es sein, dass man in der nächsten Stunde alles darüber erzählt bekommt. "Lakritzschiffe, was sind denn das für welche?", brumme ich zurück. Morgens bin ich nämlich nicht gesprächig. "Militärschiffe!" Der Lukas im Kindergarten hätte ihm alles darüber erzählt. "Und ja die gibt es, hat der Lukas gesagt." Schiffe aus Lakritz, mir soll es recht sein, schmecken wahrscheinlich etwas salzig und dienen der Versorgung. Als fürsorgliches Elternteil mit pädagogischem Anspruch bitte ich jedoch darum, noch mal den Lukas zu fragen, könnte ja ein Verhörer sein.

Nachmittags beim Abholen treffe ich Lukas Papa. Ich frage ihn, er grinst ganz breit und noch breiter. Sein Sohn würde eigentlich Logistikschiffe meinen und sie würden es nicht übers Herz bringen, ihn ständig zu berichtigen, das Wort sei einfach zu nett. Ich grinse auch. Zu unseren Füssen sitzen zwei Kinder, die mit ihren Schuhen kämpfen und schauen neugierig. Denn ein Wort in unserer englischen Unterhaltung haben sie beide verstanden. "Mama, habt ihr über Lakritzschiffe geredet?", "Far, snakkede du over ...?", kommt, sobald wir nach unten schauen. Ja genau, über Lakritzschiffe.

Wort des Tages:

lakridsskib = Lakritzschiff

Sonntag, 16. Oktober 2011

Goldener Oktober

Es gibt so Tage, die sind eigentlich Postkartenmotive. Ein bisschen zu kitschig, um wirklich wahr zu sein. Samstag war so ein Tag. Der Himmel war strahlend blau und so beschlossen wir spontan nach Dragør raus zu fahren, und Haushalt und Einkauf einfach mal hinten anzustellen. Kinder einpacken ging relativ schnell und dann liefen wir los Richtung Bahnhof Tårnby, von dort fährt nämlich der Bus ans Ende der Insel nach Dragør. Unser großes Kind schimpfte ein bisschen, dass es doch lieber auf die Schultern möchte. Wir stellten uns taub, fütterten ihn mit Keksen und liefen weiter. Der Kleine lag müde im Kinderwagen, aber schlafen kam nicht in frage. Erster Stop die Hotdog-Bude vorm Supermarkt in Tårnby, dann weiter mit dem Bus. In Dragør angekommen, wurde der Tag noch ein bisschen sonniger, denn in dem kleinen Örtchen sind fast alle Häuschen gelb angestrichen und wunderbar aneinandergeschmiegt gebaut. Es sieht sehr hyggelig aus. Wir spazierten den Strandstien entlang, an all den Traumhäusern mit Blick aufs Meer, liefen durch den Hafen, bewunderten Enten, Schwäne und Boote, aßen Eis und hinten im Fischerhafen frokost (Mittagessen). Lecker. Mama- und Papamensch bekamen ein Bier dazu, allerdings nur ein mittleres, das große meint hier 0,75l. Da es so warm war, saßen wir in Decken gewickelt draußen. Es fühlte sich an wie Urlaub und ist doch nicht mal eine halbe Stunde von zu Hause weg.
Danach sind wir noch ein bisschen weitergebummelt. Irgendwann ist das kleine Kind eingeschlafen und so richtig erst am nächsten Morgen um sechs wieder aufgewacht. Wir waren auch sonnenmüde, satt und glücklich. Bitte noch so einen Oktobertag.

Wort des Tages:

hyggelig = gemütlich, heimelig, anheimelnd, bequem, behaglich, nett (eins der Lieblingswörter der Dänen und eine Beschreibung ihres Lebensgefühls)

Dienstag, 11. Oktober 2011

Mein neuer Zahnarzt

Für die Kinder war es ganz einfach in Dänemark einen neuen Zahnarzt zu finden. Sie bekamen eine Karte mit einem Terminvorschlag. Die Kinderzahnkliniken sind oft an Schulen angegliedert, und man wird in die nächste vom Wohnort aus eingeladen. Mund auf, Zähne begutachten, zählen, runter vom Stuhl, Geschenk aussuchen, neue Zahnbürste abgreifen, fertig.

Ich musste mir jetzt selber einen neuen Zahnarzt suchen und ab dem 18. Lebensjahr ist das finanziell ein reines Privatvergnügen. Ich habe eine Umfrage im Bekanntenkreis gestartet, einen Termin vereinbart und bin dann brav hingegangen mit weichen Knien und mieser Laune noch dazu verschnupft. Ich habe eigentlich ganz gute Zähne, aber der Zahnstein. Nicht hingehen wäre keine Option gewesen, Terminverpassen ist teuer.

Mein neuer Zahnarzt ist groß, eher sportlich, mit Brille, der typische Däne. Ich bat ihn, mit mir englisch zu reden, er fragte, wo ich herkomme. Ich sagte, dass ich Deutsche sei. Er strahlte und meinte, dann reden wir lieber deutsch. Sein Deutsch ist fließend mit wunderbar norddeutschem Einschlag. Während er zur Zahnreinigung ansetzte, erzählte er mir sein Vater sei Deutscher und in seiner Kindheit wäre er jeden Sommer in Saßnitz gewesen. Mir stand der Mund offen, nicht vor Staunen, während er mir munter von seinem deutschen Cousin erzählte, der jetzt in Schweden lebt, fuhrwerkte er mit seinen Instrumenten in meinem Mund herum. Beim Nachpolieren meiner Kauleisten, erzählte er mir, dass er gerne im Internet die deutschen Mediatheken schaut, auch um im Training zu bleiben und die verschiedenen deutschen Dialekte zu hören. Ich war im Gegenzug etwas schweigsam, abgesehen von kleinen Wimmergeräuschen. Es antwortet sich so schlecht, wenn zwei Menschen mit Instrumentenköpfen in meinem Mundraum zu Gange sind. Aber ich werde wiederkommen, alle halbe Jahre zum Zahnreinigen und Sprachtraining.

Dienstag, 4. Oktober 2011

Fettsteuer

"Das hat mir gerade noch gefehlt", war mein erster Gedanke als eine Freundin mir von der Fettsteuer erzählte. Wir saßen auf dem Spielplatz, naschten schwedische Schokolade und schauten unseren Kindern zu. Sie erzählte mir, dass die Margarinefirmen seit Wochen auf Hochtouren arbeiten würden, um dem momentanen Hamstertrieb der Dänen zu befriedigen. Seit ich weiß, dass es Dänen gibt, die für die Sonderangebote - extra-large, extra-cheap - einen zweiten Gefrierschrank haben, wundert es mich nicht, dass die Regale trotzdem mager gefüllt sind. Bei Sonderangeboten wird hier zugeschlagen. Und die Fettsteuer ist nicht ohne: 30 Cent mehr für ein Stück Butter. Jedes bei der Verarbeitung eines Lebensmittels verwendete Gramm gesättigte Fettsäure wird berechnet. Eine Kilo böses Fett wird mit 16 kr., das sind € 2,15, besteuert. Natürlich macht man das nur aus Sorge um die Gesundheit. Dabei sind die Dänen selten dick, joggen gerne bei Wind und Wetter und fahren eigentlich immer Rad. Es gibt natürlich ein paar Dicke, aber im internationalen Durchschnitt meiner Privatstatistik ist das hier ein schlankes Land. Es wird wohl auch keinen vom Konsum abhalten. Denn ehrlich, wenn man Pizza haben will oder Torte oder einen extra großen Burger, dann wird das kleine Trotzkind in einem schon dafür sorgen, dass man das auch zu sich nimmt. Gespart wird dann an anderer Stelle.